„Störer ist derjenige, der ohne Täter oder Teilnehmer zu sein, in irgendeiner Weise willentlich und adäquat zur Verletzung eines geschützten Rechtsgutes beiträgt und kann daher als Störer für eine Schutzrechtsverletzung auf Unterlassung in Anspruch genommen werden.“ – So definiert der deutsche Bundesgerichtshof seit dem Jahr 2004 die sogenannte Störerhaftung (BGH I ZR 304/01; dort S. 18).
Was bedeutet das?
Grundsätzlich und verständlich übersetzt heißt das, dass auch die Person auf Unterlassung in Anspruch genommen werden kann, die eine Urheberrechtsverletzung in irgendeiner Weise gefördert hat, ohne dies selber in Person getan oder hiervon überhaupt Kenntnis gehabt zu haben.
Das klingt soweit ziemlich hart und unfair, deshalb grenzt der BGH diese Definition etwas ein: „Weil die Störerhaftung aber nicht über Gebühr auf Dritte erstreckt werden darf, die nicht selbst die rechtswidrige Beeinträchtigung vorgenommen haben, setzt die Haftung des Störers die Verletzung von Prüfungspflichten voraus. Deren Umfang bestimmt sich danach, ob und inwieweit dem als Störer in Anspruch Genommenen nach den Umständen eine Prüfung zuzumuten ist.“
Wichtig ist also, dass ich als Anschlussinhaber meine Prüfpflichten nicht verletze – macht soweit Sinn und ist verständlich. Die Definition dieser Pflichten wird aber schnell schwammig. Wie sieht es denn beispielsweise aus für Partner, Mitbewohner und Kinder? Eine ständige Überwachung von Partnern und Mitbewohnern ist aus Sicht vom LG München und dem OLG Frankfurt nicht zumutbar – dito. Bei Kindern kommt es auf den Entwicklungsstand an. Natürlich muss ich als Erziehungsberechtigter meine Kinder auf rechtliche Gefahren und Tücken des Filesharings hinweisen.
Störerhaftung – klingt soweit verständlich. Aber was hat das mit Freifunk zu tun?
Was die Störerhaftung mit dem Freifunk zu schaffen hat? Eine ganze Menge. Öffentliche Funknetze sind in vielen Teilen der Welt weit verbreitet, in Deutschland werden privaten Betreibern von öffentlichen Netzwerken wieder und wieder neue Steine in den Weg gelegt.
Im neuen Gesetzesentwurf zur Abschaffung der Störerhaftung bei der Bereitstellung von WLAN steht, dass die Haftung aufgehoben wird, wenn die Anschlussinhaber im Vorfeld „zumutbare Maßnahmen“ ergriffen haben. Was sie dazu tun müssen? Ganz einfach den Anschluss verschlüsseln, die Einwilligung der Nutzer einholen, keine Rechtsverletzungen zu begehen und dazu auch noch die Namen der Nutzerinnen und Nutzer kennen – erst dann kommen Freifunker in den Genuss der Haftungsfreistellung.
Den privaten Betreibern werden hier nahezu unerfüllbare Pflichten auferlegt, der Aufwand ist hier einfach viel zu hoch und steht in keinem Verhältnis.
Der kommende Absatz stammt ursprünglich aus der Feder von Henning Lahmann und ist am 16. März 2015 auf irights.info und in der Freifunk-Broschüre „WLAN für alle – Freie Funknetze in der Praxis“ erschienen und wurde von mir nur redaktionell aufgearbeitet.
Welche Folgen hat die Störerhaftung und was kann ein Funknetz-Betreiber tun, um sich abzusichern?
Im Grunde ist eine Störerhaftung bei unterschiedlichsten Rechtsverletzungen möglich, für den Freifunk relevant ist sie vor allem bei Abmahnungen für unerlaubtes Filesharing, die in direkt in riesigen Mengen verschickt werden.
Für Urheberrechts-Abmahnungen gilt seit September 2013, dass die Anwaltskosten für den Abgemahnten in einfachen und erstmaligen Fällen das Limit von maximal 147,56 Euro nicht übersteigen dürfen. In der Praxis wird diese Regelung unterschiedlich ausgelegt; es werden auch weiterhin höhere Kosten verlangt, die sich immer nach dem geschätzten Streitwert richten.
Im Falle der Störerhaftung kommen jedoch eine große Zahl von Personen in Verdacht, deshalb erweitert die Rechtsprechung die Kriterien für die Geltung: Nur wer als WLAN-Gastgeber auch zumutbare Prüfpflichten missachtet hat, haftet demnach als Störer. Da ein Unterlassungsanspruch unabhängig von Ansprüchen gegen den tatsächlichen Rechtsverletzer besteht, muss ein Anschlussinhaber bei einem Rechtsstreit unter Umständen zunächst zeigen, dass er nicht Täter war; anschließend, dass er auch keine Prüfpflichten verletzt hat.
Den Betreibern von freien Funknetzen helfen diese Prüfpflichten jedoch nicht viel, denn der Bundesgerichtshof hat für private Anschlussinhaber festgestellt, dass dies unter anderem bedeutet, ein WLAN-Netz gegen den Zugriff durch Dritte mit einem Passwort zu schützen. Eine solche Verpflichtung widerspricht jedoch offensichtlich der Grundidee freier Funknetze.
Ob auch andere Sicherungsmaßnahmen im Fall eines Rechtsstreits ausreichen können, lässt sich derzeit nicht mit Sicherheit sagen. Der Jurist Reto Mantz hat vorgeschlagen, folgende technische Maßnahmen zu erwägen:
- Nutzer des Netzwerks können durch eine Bildschirmmeldung beim Einwählen (Splash-Screen) auf die Pflicht zu rechtstreuem Verhalten hingewiesen werden.
- Der Betreiber kann solche Ports blockieren, über die typischerweise Filesharing-Anwendungen laufen oder auch.
- ein sogenanntes „Zapp“-Skript einrichten, das einen Rechner zeitweilig blockiert, wenn er in kurzer Zeit viele Verbindungen aufnimmt, was auf die Nutzung eines Filesharing-Dienstes hindeutet.
- Der Betreiber kann durch eine Anmeldung bei der Bundesnetzagentur und eine genaue Dokumentation der Netz-Einrichtung im Zweifel nachweisen, dass er Maßnahmen ergriffen hat und für sich den Providerstatus beansprucht.
Allerdings bietet keine dieser Vorkehrungen eine Garantie, dass es nicht doch zu einer Haftung kommen kann, wenn über das Netz des Anschlussinhabers Rechtsverletzungen begangen wurden; die Rechtsprechung bietet ein disparates Bild. Der Betreiber demonstriert zumindest guten Willen. Deshalb haben einige Gruppen von Freifunkern begonnen, auf technische Übergangslösungen zurückzugreifen. Sie leiten den Datenverkehr zunächst ins Ausland um oder organisieren ihn so, dass eventuelle Abmahnungen bei einem Verein als Access Provider landen und nicht beim einzelnen Anschlussinhaber.
Da der Anschlussinhaber bei einer Abmahnung im Zweifel die Anwaltskosten trägt, bleibt für freie Funknetze ein Risiko. Betreiber sollten prüfen, mit welchen technischen Maßnahmen sie es verringern und für Mitwirkende minimieren können. Hier lässt sich auf Entwicklungen von Freifunk-Initiativen zurückgreifen.
Unsere Meinung?
Der Freifunk-Bewegung werden durch die Störerhaftung unnötige Steine in den Weg gelegt. Private Anschlussinhaber werden es sich bei dieser Rechtslage und diesen schwammigen und frei auslegbaren Definitionen gut überlegen, ob sie ihr WLAN für den Freifunk-Datenverkehr öffnen. Den privaten Betreibern werden unerfüllbare Pflichten auferlegt, die für den Großteil der Funker schlicht nicht umsetzbar sind.